Freitag, 22. Mai 2020

Ja, es gibt mich noch!

Ja, es gibt mich noch. Auch wenn ich für einige Zeit den Anschein erweckte, irgendwo verloren gegangen zu sein. Aber um ehrlich zu sein, manchmal fühlte ich mich so…

Der Grund war einfach meine angeschlagene Gesundheit. Zunächst hatten alle Probleme nur eine Ursache, der klinische Trial war an allem Schuld. Das war eine schöne Lösung, weil man da mit dem Finger drauf zeigen könnte: du Schlingel, du bist die einzige neue Variable in dem Spiel und  musst demnach der Spielverderber sein. Schön, wenn's nur wahr gewesen wäre. Aber weil es halt so einfach war, habe ich mir jede mehr oder weniger sinnvolle Argumentation zu eigen gemacht, wenn sie zum  Trial-bashing beitragen konnte.

Bis wir eines Tages beschlossen, den Trial halt einfach Trial sein zu lassen und wieder mit der erprobten Medizin im Drei- oder Vier-Stunden Takt zu leben. Das ging aber überraschenderweise total in die Hose: gerade mal einen Tag lang habe ich es ausgehalten, bevor ich reumütig zu meiner Pumpe zurückgekehrt bin. Und das war auch gut so, denn für die Parkinson-Probleme ist das -trotz Handlings- und anderer Probleme - die beste Lösung.

Dummerweise ist damit aber meine gesamte Argumentationskette den Bach runter gegangen. Alle schönen Statistiken, die ich angefertigt habe, alle vergleichenden Spreadsheets, alle Notizen - alles für die Katz! Das einzig Sinnvolle daran war die Tatsache, dass ich auf diese Art und Weise Google-Sheets noch viel besser kennengelernt habe, als ich jemals in Excel gekommen war. Und das will schon was heißen…

Aber leider war dies nicht das Ende meiner Leidenszeit, sondern - es ist schon gut, dass man nicht in die Zukunft schauen kann - nur die Transformation zu einer neuen, anderen, richtig hässlichen Fehlfunktion.

Es begann mit Eiter im Mund. Schön, wenn man das 24/7 schlucken darf. Aber Mr Bruce, mein Zahnarzt, hatte den Verursacher schnell lokalisiert. Da war aus irgend einem Grund eine Höhle im Kieferknochen aufgetreten, wahrscheinlich wegen meiner unendlich plus ein Mal geflickten Beissern - egal obs die Reste der eigenen oder der Ersatzbeisser waren. Dort hatte sich die Infektion festgesetzt und mit ihrem Zerstörungswerk begonnen. Ja, das war es wirklich, obwohl es völlig irre klingt! Dieses 'Zeugs' hat alle meine Zähne ruiniert (dazu bedurfte es aber nicht allzu viel…). Alle Zahnfüllungen haben sich aufgelöst, einige schwer prothetische gezeichnete prachtvoll konstruierte Zähne haben einfach aufgegeben und sind partiell zerbrochen. Da haben sich Dramen abgespielt. Und eine Doppelladung Antibiotika hat keinen durchschlagenden Erfolg gebracht.

Es fällt mir richtig schwer, diese Situation zu beschreiben. Einerseits lebe ich bereits monatelang mit dem 'Zeugs', befürchte, dass Zahnschmelz nicht das Einzige sein wird, was daran glauben muss, muss aber andererseits eine Geschichte erzählen, deren Inhalt so weit hergeholt ist, dass nicht Mal ein Münchhausen eine derart abstruse Geschichte hätte erfinden können. Da mir niemand mehr glaubt, versuche ich den  Nachweis per Fotoevidenz zu erbringen. Das hatte ich mir auch sparen können, denn jetzt kommt zur potentiellen Geistesgestörtheit auch noch Besessenheit dazu. Und wenn ich ehrlich bin, ich würde niemandem eine derartige Geschichte abnehmen.

Aber immerhin war jetzt der entscheidende Augenblick schon fast gekommen. Ich habe in den letzten Monaten komplizierte Abhängigkeiten analysiert, Schlussfolgerungen gezogen und dabei nur einen einzigen, einfachen Schluss nicht bedacht: Monatelang habe ich davon gesprochen, dass das 'Zeugs' von überall her in den Mund kommt, dass ich die Nebenhöhlen ausdrücken könne - Genau, das ist es. Eine chronische Nebenhöhlenentzündung. Und die hat's in sich: Antibiotika helfen nicht! Die Behandlung kann sich noch Monate hinziehen; ein halbes Jahr kanns noch gut dauern (bis dahin habe ich hoffentlich neben meinem Geruchssinn auch den Geschmackssinn verloren). Wunderbare Aussichten!

Aber was soll's. Wie mich schon seit einiger Zeit sage: es hätte auch noch schlimmer kommen können. Aber nicht mehr viel schlimmer.

Schliesslich möchte ich das Thema doch positiv abschliessen: gewichtsmäßig bin ich jetzt in Erwins Bereichen angekommen...

Sonntag, 29. März 2020

Donnerstage sind ... hellbraun

In der guten alten Zeit, also bis letzten Montag, waren meine Donnerstage immer hellbraun, mit einem rötlichen Touch. Keine Ahnung, woher das kam. Öffentlich habe ich die Beschreibung natürlich nie verwendet, klingt ja auch blöd, wenn jemand fragt 'wie war denn dein Tag im Büro?'  und die Antwort erhält: 'Ja, hmm, hellbraun, mit einem rötlichen Touch' und auf Nachfrage die Erklärung ''jetzt, wo du nachfragst, ein bisschen dunkler rot als normal'.

So war's also nicht. Aber dennoch: gestern war ein solcher Donnerstag. Und das will schon was heißen, nach der Zeitenwende. Zwei Fixpunkte gab's: Meeting ganz lokal um 14:00 und Meeting ganz global um 18:00. 

Das ganz lokale Meeting war das dritte, bei dem die Strategie erarbeitet wurde, wie der Haufen Parkies, sorry der Fife Branch von Parkinson's UK in einer Zeit der Isolierung weiterhin sinnvolle Hilfen für die Mitglieder bereitstellen könne. Da ist eine Menge Hirnschmalz nötig, denn es sind ja in den meisten Fällen Menschen höheren Alters (ich muss mich da vorsichtig ausdrücken, schon mir selbst gegenüber) oft mit Zusatzproblemen - also die Risikogruppe 'besonders gefährdet’, die normalerweise die Angebote besonders oft in Anspruch nimmt. Ich bin da - nicht besonders eifrig - in der Wandergruppe drin und meine erste Bekanntschaft mit Parkinson’s UK ging von dieser Urzelle aus.  Dann im Verlauf von nicht mal 2 Jahren ging's auf Einladung des Edinburgh Branch nach Montreal, zur WPC2013. Und dadurch waren die Weichen für eine - nennen wir sie mal - Parkinson-enriched Phase meines Lebens gestellt.

Heute ist meine Verbindung zur Truppe um John Minhinick eher gering. Etwas halbseiden nehme ich jedes Jahr die Rolle des Research Champion für Fife an, mit der schwierigsten und zeitaufwendigsten Aufgabe, den Eintrag im Faltblatt und zuweilen im Newsletter auf mögliche Schreibfehler zu prüfen. Aber auch ohne meine Hilfe (oder vielleicht gerade deshalb) hat John aus einer beschaulichen, zufriedenen, gemütlichen und guten Gruppe eine fabelhaft organisierte, effektive Prachttruppe geschaffen, die stets als Vorzeigekind  geehrt wird. Well done, John. Mit seiner Vergangenheit als britischer Regengott (meine Worte, richtig wäre, Chef der britischen Meteorologen) und Chef der britischen Rotarier hat er zwar einen geografischen Rückschritt hingenommen, aber nicht an Bedeutung für uns.

Das zeigte sich diese Woche wieder einmal: Ende letzter Woche führte er das Fife Schiff gegen jede Strömung, gegen den Sturm Richtung ‘wir lassen uns von dem dahergelaufenen chinesischen Zirkusvirus nicht beeindrucken, während sein Vorstandskollege aus Edinburgh zur gleichen Zeit alle Veranstaltungen, und das sind deutlich mehr als wir uns jemals leisten konnten, ab sofort absagte. Richtig so, dachte ich mir, schrieb eine Antwort an John, die u.a. mit dem Hinweis auf die Kapazität der NHS ein eindeutig unschlagbares Argument auffuhr, wartete mit dem Absenden auf den nächsten Morgen, damit ihm die kritische Mail nicht seinen wohlverdienten friedlichen Sonntagabend ruinierte und fand mich unvermittelt auf dem gleichen Schiff, dem gleichen Kapitän, dem gleichen Unwetter trotzend schon in voller Fahrt, jedoch in der anderen Richtung. Mirakulös, mirakulös. Und nicht nur befanden wir uns auf volle Kraft voraus - an der Spitze des Parkie Verbandes. 

Da ich ja meinem Titel entsprechend Mitglied der Führungstruppe , konnte ich das erhabene Gefühl, dass wir wieder mal die, besten, am besten vorbereiteten, etc. seien mit berechtigtem Stolz genießen. Wohlan denn, lasst es mal krachen.

Na - ja. So ganz hatte ich die letzten Tage nicht nur in meinem hin- und hergeschundenen Körper über die Strapazen und Leiden des alternden Werner gebrütet, sondern den kleinen grauen Zellen auch zuweilen noch andere Aufgaben gegeben als nur rumzujammern. Auch ich machte mir - nicht das erste mal - Gedanken, welche Hilfsmöglichkeiten zur Überbrückung der kommenden Chaostage, -wochen, -monate (die nächste Einheit schreibe ich nicht, denke ich nicht) als funktionierende Einheit uns zur Verfügung stünden. Insbesondere als die Einheit, die für die Mitglieder die passendsten Angebote bereit hält. Klar war - fast nichts. Keine Dauer, kein Wissen über weitere  Freiheitsbeschränkungen, das Verhalten der Menschen bei steigendem Druck, nachlassender Versorgung. Schon im Normalfall sind solche Fragen am besten an eine Kristallkugel zu stellen, trotz der Annahme nicht disruptiver Entwicklungen. Und jetzt, Schlaumeier, jetzt ist’s aus mit Entwicklungsmodellen, oder Extrapolation. 

Also bleibt nur, die Angst, die Einsamkeit, den Stumpfsinn langer, gleichartiger, farbloser Tage, die Langeweile zu bekämpfen. Und dafür gibt es Lösungen. Den später Shakearazzi TV genannten Vorschlag habe ich der Walking Group sofort auf den Weg mitgegeben, dann einen Vorstoß bei Marc für DRIG unternommen und ihn dann für Shakearazzi, erstmals konkretisiert. Bob jedenfalls war begeistert, vielleicht auch nur der sechs Folien wegen, die ein bißchen anders als ūblich gestylet waren.

Das Konzept ist jetzt einige Ideenrunden weiter und der erste 'offizielle' Kontakt mit der öffentlichen Meinung steht bevor. Viel wichtiger aber: wir wagen den Sprung ins kalte Wasser: 

Montag Besprechung mit den anderen Shakearazzi und Annahme dass sie sich zwar mal als 'überfahren wurden' vorkommen werden, aber trotzdem an Bord sind. 

Dienstag: Dryrun mit ausgewählten, freundlich gestimmten Zuschauern. 

Mittwoch, 10:30

Ladies and Gentlemen - this is Shakearazzi TV 'on air'
Now and every Wednesday at 10:30 until this chaos will last.

Ja, ein bisschen voreilig. Aber es sollte klappen. Dies ist ja auch nur der sichtbare Teil des Eisbergs. Den Motivationsteil mit seinen vielen Ästen, ja, den sollten wir, müßten wir, müssen - nein  - werden wir ab Donnerstag in Angriff nehmen.

Ganz schön lebendig, meine Vorstellungswelt! Aber  keine Realisation (oder so ähnlich: derart dämlich habe ich mich nicht mal als Innovationsfeigenblatt von NSN ausgedrückt. So ein Schmarrn wäre oftmals eher angebracht gewesen,
 als die offiziell gültige Aussage.

Etwa in der Form habe ich mich dann beim zweiten, weltweiten (falls das je irgendeiner lesen sollte, unbedingt weitergeben) Zoom gefühlt. Daneben, so richtig daneben. Und ich musste mich gar nicht erst dazu anstrengen. Wenn sich 15 Leute 'gegenüber' e, jeweils eine bis zwei Minuten haben, um sich vorzustellen    von da an gemeinsam arbeiten wollen, dann ist das schon, prinzipiell sehr einfach weil jeder seinen eigenen Teil des Globus bearbeiten wird und dabei von den anderen unterstützt werden wird.

Soweit zur Theorie. In der Praxis stellte mir meine 'zu jeder Zeit nur eine einzige Aufgabe bearbeiten zu können' Beeinträchtigung (laufen und reden  - funktionieren nicht gemeinsam, und deshalb sie schon vor Jahren schon gegen die viel einfacher handzuhabende radeln und stürzen ausgetauscht). Schliesslich war es mein 'allerniedlichstes' reden und denken (leider traurige Wahrheit). Dss.. sich mir in den Weg stellte. Die einzige Eigenschaft dieser Kombination, weist entweder auf einen Inhaltsschwafler hin (Eigenschaft: kann stundenlang Blodsinn verzapfen) oder auf einen stillen, leisen, schüchternen Zeitgenossen wie mich (Ulli, ich hör Dich protestieren!!!!). Und deshalb liefen meine 2 Minuten etwa so ab: 'wie man sofort hört, bin ich nicht aus Schottland, sondern aus Bayern (ich zu mir: du trottlduwolltestdochganzandersanfangen) und schon war's geschehen: Hirnfreezing oder Maulfreezing kommt dem wohl sehr nahe. Damit bin ich der Ambassador mit der geringsten stimmlichen Bedeutung.

Imerhin habe ich gleich nach diesem weltumspanneden Fauxpas meine englische Kollegin angemailt um zu sehen, wie gross mein angerichteter Flurschaden wohl ausgefallen sei.

Es war nur eine kurze email - Mitleid, wohl.

Guten Morgen Bill

Guten Morgen Bill,

bitte entschuldige, dass ich mich zwischenzeitlich nicht gemeldet habe. Ich habe ein paar turbulente Tage hinter mir, die mich einige Kraft gekostet haben (ich habe sie gerade im Blog beschrieben).

Ich hatte auch ein Gespräch mit Bob, dem Shakearrazzi-'Boss'. Wir haben über Möglichkeiten gesprochen, die Gruppe während dieser ungewissen Zeit am Leben zu halten. Dazu können wir natürlich unseren monatlichen Termin weiterverwenden und uns per WhatsApp, Zoom oder Skype gegenseitig langweilen und in den Schlaf wiegen. Weniger einfach zu realisieren::

  • Offen für Shakearrazzis, CCC, …, jeden mit Interesse an Fotografie
  • Fester Termin, je nach Anzahl von Mitgliedern und Lieferanten von Content wöchentlich, 14 tätig, monatlich
  • Interessante Themen - aus der Fotowelt oder zumindest fotografisch geprägt
  • Unterschiedliche Produzenten, eigener Content: einen Beitrag zu gestalten sollte eine Challenge für die Produzenten darstellen, wobei diese Challenge niemanden überfordern darf
  • Themen: Fotografen und ihr Portfolio, Reportagen, best_of …
  • Nebenthemen: News aus der Fotografie, how_to, question of the week
  • Interaktives Format

Da kommen sicher noch weitere Kriterien dazu.

Und - Du ahnst es sicher schon - hättest Du nicht Lust, daran mitzuwirken und zwar

  • bei der Konzeption,
  • als Produzent (Bill Davidson: Portfolio, oder: BD: das Geheimnis meiner besten Bilder), … und
  • Bindeglied zur Community, etwa beim Finden von Content Providern

Ich würde mich 'sakrisch' freuen, wenn wir in dieser Isolationszeit wieder etwas gemeinsam machen könnten. Ganz toll würde ich es finden, wenn wir Kev auch noch dazu gewinnen könnten… Muss ja nicht unbedingt Shakearazzi sein.

Und mein Beitrag:
  • Diverse Reiseberichte, Jemen und SO Asien, Tansania
  • Portfolio

Ich hoffe, Ihr habt die ersten AC Tage gut überstanden. Schwierig wird's wohl erst, wenn aus den temporären Einöd und ‘Zweiöd’ permanente Dörfer werden. 



Donnerstag, 26. März 2020

Ein doppelter U-Turn mit Powerslide

Mein Übergang, meine Zeitenwende: zwei Tage zum Vergessen.

Ein doppelter U-Turn mit Powerslide
Wir hatten schon seit einiger Zeit diskutiert, welche Rolle der Trial bei den zuletzt aufgetretenen Problemen gespielt hat. Es könnte sich alles nur um eine blosse Koinzidenz von Vorfällen handeln, sehr unwahscheinlich zwar, aber denkbar oder der Trial ist der Auslöser dieser Schwierigkeiten. Dazwischen liegen, bei der Komplexität der Situationen, viele Zwischenmöglichkeiten. Die Meinungen darüber waren bei Eleanor und mir zunächst diametral entgegengesetzt. Ich konnte mir keinen Grund denken, der den Trial als 'Alleinschuldigen' überführt hätte. Genauso wenig war aber die 'Unschuld' nachzuweisen. Dieses Patt hatte schon sehr lange, zu lange Bestand und als Anfang der Woche wieder massive Probleme auftauchten, wollte ich es endlich wissen: Würden nach Abschaltung der Pumpe die neuen Probleme verschwinden und würde mein Körper wieder wie vor dem Beginn des Trials 'funktionieren', dann ist der Schuldige eindeutig und ein für allemal gefunden.

Dienstag Morgen: Letztmalig wird die Pumpe abgeschaltet, die Kanüle herausgerissen (in der ganzen Zeit des Trials habe ich diese nur einmal so entfernen können, wie im Manual beschrieben - das erfordert einen zusätzlichen Abschnitt in meinem Abschlussbericht) und dabei eine neue 'Markierung' erzeugt, der letzte dunkelrote Fleck. Das war's also.

Esther und Tiffany mussten natürlich informiert werden, was einem fremdsprachigen Drahtseilakt gleich kam: Eine Formulierung zu finden, die die Endgültigkeit der Entscheidung klar machte, gleichzeitig aber keinen einzelnen Grund dafür nennen konnte. Keine Ahnung, ob's so rüberkam. Mit ABBVie mussten wir ja nicht verhandeln und Esther und Tiffany kennen die Situation genau.

Schön, alles erledigt. Und alles ist wieder gut. Mein Handy war wieder mein 'Zeit_für_die_Medizin' Kontrolleur geworden, meine mobilen Dopaminbehälter sind gefüllt. Rückstellung geglückt, da ich auch mitspielte und gut funktionierte.

Kurz nach Mittag lief ich aber unerwarteterweise ins OFF; eine zusätzliche Pille stellte das Dopamin-Gleichgewicht wieder her. Wie erwartet wurde ich müde, was das Praktizieren der sozialen Isolierung deutlich erleichterte: Isolation durch Schlaf. Danach wollten aber auch andere kleine Wehwehchen mitspielen und beim Lustspiel: 'Wie können wir den Werner ärgern' noch eine Rolle bekommen. Sehr frühzeitiges Zubettgehen verhinderte danach die Uraufführung.

Am Morgen ging's dann aber Schlag auf Schlag: mehrfach schmerzhafte Probleme auf der Toilette, Magenbeschwerden, Rückenprobleme, die höllische Schmerzen verursachen und mir die Beine 'wegziehen', Tremor und Schwindel, immer wieder Schwindel in seiner stärksten Form. Eleanor ist geschockt - das hatte sie nicht erwartet. Ich plädiere für eine weitere Tablette - nachdem ich die Entscheidung zur Beendigung des Trials so lange herausgezögert hatte, bis ich von dessen Nutzen überzeugt war wollte ich jetzt nicht schon jetzt, beim ersten Auftreten von Schwierigkeiten, die Flinte in's Korn schmeissen.

Aber schnell wird klar: einfach wird die Umgewöhnung nicht werden, sicher auch nicht schnell abgeschlossen und die 'neuen' Probleme können halt auch durch die Rückkehr zur oralen Medikation nicht ausgeschlossen werden.

Was bleibt: Sehr, sehr schnell wird ein Fläschchen mit der Medikation aus dem Kühlschrank geholt und auf Raumtemperatur gebracht. Das erlaubt mir eine Dusche, nach der ich mich wieder wie ein Mensch fühle, angezählt zwar aber nicht ko gegangen, reumütig wieder 'Geschirr' und Pumpe tragend.

Ein bisschen zögere ich das Gespräch mit Esther hinaus: auch wenn es triftige Gründe für die Entscheidungen der letzten Tage gab, es fällt nicht leicht einen doppelten U-Turn mit dazwischenliegenden Powerslide zu beichten. Ich hätte mir aber keine Gedanken machen müssen: Esther kennt uns genau, weiss, daß wir lange abgewägt haben und voll hinter den Entscheidungen stehen. Sie selbst ist seit dieser Woche auch in einem Ausnahmezustand und arbeitet im Stroke-Bereich von Ninewells, hatte diese Woche schon 48 Stunden Bereitschaft - am Stück. Das Lab ist geschlossen und ihre Mitarbeiter arbeiten irgendwo. Die nackte, unschöne, brutale Realität nach der Zeitenwende.

Dienstag, 24. März 2020

01/01/01 - Es beginnt

Diesmal offiziell, nicht nur nach meinem, subjektiven Empfinden. Wir alle haben uns - richtiger wäre - wir alle wurden umgestellt. Die sichtbaren Veränderungen passieren eher subtil, langsam und werden wohl erst in einigen Tagen richtig deutlich. Krass geändert hat sich die Sicht auf die Situation: Bisher schien sich das Bedrohliche, die latente Gefahr, der Virus irgendwo weit entfernt zu befinden. Da war etwas Abstraktes, Unerklärliches im Gange - im Grunde eigentlich etwas Irreales.

Jetzt ist es da. Neue Regelungen sind einzuhalten, Einschränkungen bestimmen das Leben und das Miteinander, Erschrecken bei der Anzahl der Toten, der Neuinfizierten - erstmals bildhaftig wahrgenommen.

Dennoch:  Die Menschen nehmen es hin. Nur selten wird gegen Regeln verstossen. Ein bisschen nur, wenn etwa befreundete Nachbarn den Sicherheitsabstand nicht einhalten sondern sich unterhalten wie - gestern. Es scheint, dass man sich mit der Situation abgefunden hat. Ich bin mir sicher, dass eine einzige dieser Regeln noch vor einigen Tagen zu massiven Protesten geführt hätte, als Gesamtpaket aber akzeptiert werden. Es wäre äusserst interessant, dies mal genauer zu durchleuchten. Später mal. Vielleicht.

Tag 5 - Ruhetag

Tag 5
Ruhetag

Immerhin - es wurde Sonntag. Nachts mangels anderer Beschäftigung den seit einiger Zeit angedachten und konzeptionell weit gereiften aber noch inhaltslosen Blog geboren. Bei der Geburt haben einige emails geholfen, die ich seit kurzem wieder wie kleine Aufsätze formuliere: Lust am Wortspielen, am Buchstabenalbern, am Leser-in-die-irre-schicken. Und sich dabei unglaublich amüsieren. Der Spaß ist zurück. Fast so wie … früher. Jetzt hat das Vergnügen, der Spaß, die Freude aber immer den Schatten des letztmaligen  an sich, und wenn’s nur beim Schreiben ist. Denn, so sehr ich mich auch auf die Wirkung beim Leser - auf DICH - konzentriere, letztlich ist das Schreiben der ‘Geschichte’ ein Mittel, die Realität in ihrer ganzen Brutalität, zu verarbeiten, ohne darüber den Verstand zu verlieren.

Soweit also zur Selbsterkenntnis….

Geistig war ich noch in der Blogeuphorie der Nacht, noch lange nicht am Morgen angekommen, als mich meine tatendurstige Gattin schon voll gedressed überrascht: 'Ich geh dann mal ne Runde spazieren, ist doch ok, oder, bei dem schönen Wetter muss man doch einfach raus (oha, der Tag fängt ja schon wieder gut an…) und was meinst du zu dem Vorschlag, den ich dir whatsgeappt (oder so ähnlich) habe? ' Woww, der Beweis: morgens ist sie der Weltmeister im  Überrumpeln und Erschlagen des Gegners ganz ohne Blutvergiessen, aber mit größtmöglicher Zerstörung. Natürlich kenne ich das Spiel, bin aber zu müde um darauf reinzufallen, was immer dann passiert, wenn ich in meinem noch ganz unrund laufenden Hirn einer Diskussion stelle. Denn einen Überschall schnellen Supertanker (gibts eigentlich nicht, steht mir aber in beeindruckender 1,56 Größe gegenüber) mit bloßen Händen stoppen zu wollen, das geht einfach nicht.

Hatte ich auch gar nicht vor, nur aus der Schusslinie zu kommen, das musste sein. Also verwendete ich einen Teil der Abwesenheitszeit zum Studium von …

… Laufbändern! Das war's also was sie sorgfältig vorbereitet und zielführend vorbereitet hatte: in den nächsten Tagen werden die Einschränkungen zunehmen, die Möglichkeiten für einen Workout etwa  in Tentsmuir gleich null, und wir daheim dick und fett werden. Derart übertrieben hat sie natürlich nicht argumentiert, aber die Taktik mit Überraschungsangriff, kleinen Dolchstōssen (unwiderlegbare Aussagen, oft auch Tautologien) und breitem Frontalangriff geht auf - wie halt so üblich - und so kurz nach dem Frühstück hätte mich jeder Sportshop als überragenden Fachmann in Laufbändern verpflichten können. Ich kannte die Unterschiede der Modelle XYZ 40 S und XYZ 40+ und XYZ A 40 ONE (der einzige Unterschied ist die Bezeichnung, der Name selbst) obwohl die ONE den spezifischen ONE dreigeteilten Laufbereich aufweisen, der unterschiedliche Dynamik beim Auftritt, der Ruhephase und dem Abstoss direkt in den Unterschenkel des Athleten hineinprojiziert. Na, kriege ich jetzt den Job, nachdem ich dem Gesülze noch eine Prise inhaltsloser Aufschneidervokabeln beigemengt habe? Siehe da, ich war Feuer und Flamme und wenn dann der Wind die winzigen verbliebenen Überreste als Asche verstreut, dann stellt am Freitag ein Typ mit einem Oberkörper wie ein Dreieck,  einen mannshohen Karton vor der Sun-Lounge Tür auf. Und jetzt erfahren wir, dass es sehr schwer ist, 75 kg gegen die Erdanziehung zu bewegen, wenn die entsprechenden Bizepse nicht dafür trainiert wurden, weshalb wir … nein es gibt keinen Zwangsfolgeroman. Wir sind uns mal wieder einig. 

Wie die Geschichte dann schliesslich ausgegangen sein wird? Bei der Eingangsoffensive hat meine Gattin derart viel Raum gewonnen, dass sie sich auch einmal dem Verlierer gegenüber sehr grosszügig verhalten kann: 'Du bist ja nicht gerade sehr begeistert dabei. Wenn Dir langweilig ist könnten wir doch … !!!!! Nein, bitte keine Hanteln kaufen.

Nein, wir haben keine Hanteln gekauft, noch nicht einmal darüber gesprochen sondern am Nachmittag den Ernstfall trainiert: Angewandte soziale Isolierung. Hat schon ganz gut geklappt. Bei all den körperlichen Anstrengungen dieses Sonntags wunderte es mich nicht im geringsten, dass ich abends innerhalb einer Minute von 100 auf 0 gefahren wurde. Keine Ahnung, was der Anlass dieser Episode war. Mit Eleanor's Hilfe kam ich gerade noch so ins Bett und war sofort weg. Gegen 23:00 bin ich wieder aufgewacht und war nach 5 Minuten putzmunter. Was wohl nicht so ganz stimmt, denn beim nächsten Blick war es 05:41 geworden.

Interessantes Wochenende. Davon werden wir ab bald ganz viele haben. Ob ich dann je wieder so drüber schreiben werde, oder überhaupt darüber schreiben oder überhaupt noch schreiben werde?


Einwurf:
Es gibt ihn noch oder noch immer, den Feigling, der auf Kosten anderer lebt.

Diesmal meine ich spezifische Vertreter einer Spezies, die sich überall vordrängelt, wenn's etwas billig oder gar umsonst gibt. Die aber, Schwanz eingezogen, von ganz hinten auf die Vorderleute zeigt, wenn ein Schuldiger gefunden werden muss. 

Um diesen Typ zu beschreiben habe ich in den Fabeln gesucht, aber egal wo - ich habe ihn nirgendwo  komplett in allen seinen Eigenschaften gefunden: feige, lügnerisch, neidisch, anmaßend. In unserer gerade auseinanderfallenden Welt sind sie aber präsent um abzustauben, dreist zu nehmen, was anderen gehört und um die anscheinende Sicherheit zu suchen, die sie ihrer ganzen Dummheit auf den schottischen Inseln vermuten. 

Leben auf diesen wunderbaren Inseln bietet unglaubliche Landschaften, erfordert aber auch unglaubliche Anstrengungen, ein Tribut an deren Schönheit, Ruhe und Einsamkeit. Manche Inseln besitzen ein Krankenhaus mit einem niedergelassenen Arzt, aber auf vielen ist der Kranke auf Fähre oder Flugzeug angewiesen. Dieses Gesundheitssystem ist ein fragiles Gebilde, gerade so stabil, dass es für die wenigen Inselbewohner eine Grundsicherung zur ärztlichen Versorgung darstellt, darüber hinaus sofort kollabiert. Es zusätzlich zu belasten ist Diebstahl an der Gesundheit und Sicherheit derer, für die es konzipiert ist.



Schlussstrich - die echte Zeitenwende
Jetzt ist es also soweit: Es ist LOCKDOWN.

Wir haben es erwartet, befürchtet dass wir nur dann eine Chance haben bekommen, ein paar zusätzliche Menschen zu retten und den gezielten Aufbau der post-covit Gesellschaft zu gestalten, wenn es uns gelingt ein Chaos beim 'rette sich wer kann' zu vermeiden. 

Wir sind - auch als Familie - weit verstreut: Alles Gute

Sonntag, 22. März 2020


Tag -1
Aufregung schon vor dem Sturm

Eine Email an mich - die technophile Art ein Selbstgespräch zu führen


Guten Morgen Ich 

das ist ja die Höhe! Rächt sich doch der Kerl bei uns, weil wir ihn weder mögen, noch schätzen, noch bewundern. Der Herr hat uns zu 4 monatigem Hausarrest verurteilt. Wofür? 

Weil wir Hochrisiko sind. Ich noch mehr als Du (dafür bist du der bessere Fotograf) und wenn ich so alle meine Leiden aufzähle, dann müsste ich eigentlich eine ganze Fußballmannschaft sein. Immerhin, das stimmt: ich fühle mich wie eine ganze Mannschaft von Wehwehchen.

Sorry, da ist mir wieder mal die Tastatur durchgegangen.

Das Wochenende war zwar lang, da ich den Freitag gefühlsmäßig dazugezählt habe aber nur sehr kurz an Verwertbarem. Ich bin noch immer so sakrisch müde und abgeschlafft: gestern habe ich nach einem knappen km schon Hinschmeissen wollen, hab mich dann aber doch noch gezwungen, zum Ententeich zu hatschen, ihn zu umrunden und dann mit der sagenhaften Geschwindigkeit von 2,3 km/h Zuhause einzulaufen. Von laufen keine Rede, von gehen nur bedingt…

Soooo werden meine Fotos sicher nicht entstehen (richtig, da war doch das passende Wort - stehen). Und dann kommt auch noch er daher, der Obermacker, und verbietet uns frische Luft. Können wir da nicht Verfassungsklage einreichen, weil unsere (ich meine eher: meine) Aussichten gegen den/die ‘Jungen’ noch einen Fuß auf den Boden zu kriegen immer schlechter werden. Ich kann ja nicht 33% eines Jahres damit verbringen, Georgie beim Fressen zu fotografieren, oder Blick aus dem Fenster Nr. 4762a, oder mit dem Makro die Krümel vom Frühstückstisch zu fotogenen.

Und jetzt meine ich es wirklich Ernst: Faktisch sind uns die Hande gebunden. Wir können weder draußen fotografieren, noch gemeinsam auf die Fotopirsch gehen. Das ist wirklich der Hammer. Eigentlich finde ich eine derartige Regelung eher gut, aber bei einigen Dingen wird’s doch ganz hart werden: Eleanor und ich werden unsere Bikes auf diese Art nur einstauben, statt Hügel zu erobern, die Berge rauf- und runterzudüsen und die nördlichen Inseln und den Nord-Westen der Highlands zu erkunden.

Aber vor allem habe ich mir am Donnerstag Abend etwas vorgenommen, was meinem angeborenen Widerstand gegen alles Grundlose, gegen Krámerseelen, gegen dumme Regelungen wieder zu einem Hoch verhelfen kann (bei dem ich dann gerechter- und üblicherweise ziemlich baden gehe, was aber durch den Spaß beim Planen, Machen und Performen bei weitem ausgeglichen wird).

Kannst Du Dir vorstellen was das sein wird? Knobel doch einfach mal ein bisschen rum, lass deiner Phantasie freien Lauf und genieße die Freiheit, so lange es sie noch gibt.

Tag 4 - Angriffe

Gestern war ein nicht wirklich guter Tag. Ich hatte schon längere Zeit die Befürchtung, daß mit meinem Gebiß etwas nicht stimmte. Aber in der Relevanz der Ereignisse spielt ein Zahn oder auch eine Gebisshälfte nur eine sub-Rolle. Bis eben gestern morgens nicht mehr ging. Da kam so viel 'Zeugs' von unten durch die Krone (Corona? ja, da habe ich ganz viele davon). Und das Zeugs ist eklig, greislig (hochdeutsch grauenvoll). Gottseidank nahm mich die Assistentin bei unserem Zahnarzt noch als emergency dran, verschaffte mir einen Termin und dann ging's zu Mr Bruce.

So gestresst habe ich ihn noch nie gesehen. Nur ein freundliches hallo, wie geht's und dann schon zur Sache. Für lange Erläuterungen meinerseits hat er natürlich keine Zeit und schon wird geröntgt, was ihm wenigstens eine Minute zum Verschnaufen läßt bevor er mir den Sachverhalt erklärt: Ich habe ein Loch im Kieferknochen (cave - da schmuggelt mir die intelligente Rechtschreibfehler doch ein Café unter - in a jawbone ) klingt auf English deutlich besser als es sich in deutsch anfühlt. Leider kann man da zur Zeit nichts machen. Da muß halt der Knochen angebohrt (ich stelle mir eine Ölplattform vor) und die Cavität (aha, es ist also doch ein deutsches Wort vorhanden) ausgefüllt werden. Er klingt, wie immer sehr ruhig, beruhigend. Das impliziert natürlich eine gewisse Vorahnung von dem, was da kommen möge. Aber noch nicht kommen kann, denn ab Montag werden nur noch nachgewiesene Notfälle behandelt. Und die - so habe ich verstanden - werden nicht durch eigene Aussage zum Notfall, sondern erst durch eine Untersuchung? Keine Ahnung, klingt aber auch nicht beruhigend. Er verschreibt mir noch ein Antibiotikum und wünscht mir für die kommende Zeit alles Gute. 'Wir sehen uns nach dem Sommer wieder…' Von mir aus gerne!

Auf dem Weg vom Auto zum Zahnarzt war es nicht so auffällig, das Damoklesgefühl das mich beschleicht, als ich die Praxis verlasse. Im Wartezimmer waren nie so viele Menschen, dass sichtlich Abstand genommen werden mußte und so unauffällig wie möglich setzte sich jeder Patient dorthin wo der größtmögliche Abstand zu allen anderen zu finden war. Subtil, aber deutlich.

Der Weg zu Boots, das Medikament zu besorgen, ist nicht weit und Eleanor wartet im Auto.in der anderen Richtung. Am Eingang stehen einige Leute, diskutieren, zeigen auf einige bedruckte Blätter, die die gesamte Glasfläche des Eingangs bedecken. Drei oder vier gehen wieder fort, ein Mann schüttelt nur den Kopf und ich versuche festzustellen, ob und wann denn der Laden geöffnet hätte. Gerade lese ich eines dieser Papiere: 'bis auf weiteres haben wir jeden Tag zwischen  1 und 2 geschlossen', das aber auch keinen Sinn macht, als ein Herr fragt: 'Sind Sie der Fünfte?' was absurd ist, da ich alleine rumstehe. Macht auch keinen Sinn, wenn's wiederholt wird. 'der Fünfte, was meinen Sie?' 'da steht doch, dass die jeweils nur maximal 4 Leute in den Laden lassen…' Klar bin ich der fünfte und schon drin, weil jemand herausgelassen wird. Wohl dem, der die Information finden und dann auch noch lesen kann … was mir wiederum deutlich macht, wie schlecht es um mein Sehvermögen bestellt ist. Declining! Declining! Und da wird auf einmal das Schwert über dem Kopf sehr sichtbar. Sehr deutlich und scharf.

Das muß alles erst mal verdaut werden. Zuhause sammeln wir die vereinzelten Gedanken an den Resttag ein und beschliessen, den Nachmittag am Tay zu verbringen, von Balmerino Richtung Newport, das letzte Stück des Fife Coastal Walk entlang, so weit ich halt heute gehen kann. Damit haben wir das letzte Teilstück auch in Angriff genommen. Wieder etwas abgeschlossen, …

Haben wir nicht, denn bei mir ist die Erschöpfung ausgebrochen, wieder mal. Trotz des wunderschönen Dorfs, dem Dundee-Blick, dem traumhaften Wetter: Nix geht mehr. Gar nix. So wird's halt ein Siesta-Nachmittag. Kurz gebe ich noch Esther und Tiffany Bescheid über die zusätzliche Medikation, schaue noch kurz rein, ob der gestrige Angriff auf mein Postfach doch mehr Schäden verursacht hat, als mir bisher bewusst war und dann …

… bin ich wieder aufgewacht. Eleanor ist noch immer aufgebracht, daß eine normale Bestellung (nur haushaltsübliche Mengen, was wir halt so normalerweise bei unserem Tesco-in-dundee-besuch einkaufen) nur etwa halb geliefert wird. Kein Zucker, eine kleine Packung Corn Flakes. Von jeder Position  fehlt etwas, ist nur in kleinerer Menge geliefert, oder halt gar nicht dabei. Habe ich dich bei den Passanten am Mittag nicht entdeckt, so ist jetzt klar, wie dieses Damoklesschwert über uns allen hängt.

Der Rest ist schnell erzählt, kurz und ungut:

Jürgen spricht mich auf meine Affinität zu Handies, Foto und Samsung an, was ich unbedingt widerlegen muss.
Ein paar WhatsApps rausgejagt (Bayern hat Ausgangssperre ausgerufen:; Der Söder,ja mei, der macht hoid wos!)
Traudl angerufen (ist noch schwach, klingt aber gut)
Erwin angerufen (arbeitet viel für sein Tansania Projekt, ist ansonsten aber auch persönlich und sozial isoliert) und

Monika ist positiv, Corona positiv und damit wohl die gesamte Familie. Sch...Virus!

Tag 0: email an b

Der Tag: zwischen Kinderbuch und Bibel: ich bin immer noch erst beim Versuch zu akzeptieren, dass das die Welt AC ist. Ich hab's verstanden, begriffen glaube es aber im tiefsten Innern noch immer nicht. Es hat viel zu viel Science Fiction Endzeit resp. Bibel - Offenbarung des Johannes an sich. Stoff für Hollywood, nicht Tentsmuir Forest.

Da waren wir übrigens heute, haben einen Spaziergang gemacht und uns der sozialen Vereinsamung hingegeben. Ich glaube, ich habe Dir schon einmal die Geschichte von mir und meinem Lieblingswort erzählt: Personenvereinzelungsanlage. Ein deutsches Musterwortungetüm aus dem Le(e)hrbuch. Da war es wieder: Coronarus Rex, die Personenvereinzelungsanlage. Dabei fällt mir auf, dass sich hinter Coronar eine Frau versteckt. Psychologisch sehr, sehr aufschlußreich… Mal sehen ob da in Zukunft noch was zu machen ist.


Der Tag 0

Transition: Von AD nach AC

Heute ist Tag 1 der Coronaren Zeitrechnung:
00.01.AC
Oder was wir gestern für heute schrieben:
17. März 2020
Das eigentlich Sinnhafte an der bisherigen`Zeitrechnung war das AD - anno domini oder ‘im Jahre des Herrn’ - aber das haben wir schon lange verschämt weggelassen. Und werden es in Zukunft auch nicht mehr brauchen. Dahin gehen: zwei Buchstaben und mit ihnen über 2000 Jahre Geschichte, Kultur, Entropie. Dafür kommen: zwei Buchstaben und mit ihnen eine unsichere Zukunft, ein Wertewandel, eine andere Welt, ein anderer Herr (eigentlich dem Namen nach weiblich).


Wer bis Anfang des Jahres glaubte, dass unsere Welt auf stabilen Beinen steht, den Siegeszug der Demokratie schon abgeschlossen, Menschenwürde als allgemein akzeptierten Grundwert, die friedliche Koexistenz im Kleinen und im Großen als etabliert ansah, wird sich in einigen Monaten, Jahren fragen müssen, wo sie geblieben sind, die großen Errungenschaften der Menschheit. Wobei ich mich zwar etwas aus dem Fenster lehne mit der Andeutung einer möglichen Zukunft. Aber es gab in der Vergangenheit oftmals schon für sehr viel Geringerwertiges massive, gewaltbereite Widerstände.

Und das alles, weil sich ein mutiertes Virus in unglaublich kurzer Zeit die Erde ’untertan’ gemacht hat. Nicht aus göttlichem Willen (es wird, wie immer, ein paar Spinner geben, die das behaupten werden, aber solange sie sich nicht virusartig verbreiten ist mir nicht bange), sondern einfach, weil er es kann. Das Ding erobert in nicht einmal zwei Monaten die gesamte Welt. Alle bisherigen Probleme werden beiseite geschoben (warum, zum Teufel, konnte man das bisher nicht?), dennoch steht der Sieger in diesem Blitzweltkrieg fest. Und das, obwohl sein Destruktionspotential bei weitem nicht an das aggressiverer Viren heranreicht.

Was uns bleibt? Der Aufbau einer Gesellschaft im Sinne der teilweise über viele Jahrhunderte erarbeiteten Werte. Das ist utopisch? Mag sein, aber wenn wir jetzt die alten Fehler wiederholen, wenn Egoismus weiterhin die Triebfeder vieler ‘Anführer’ bleibt, was bitte haben wir dann zu gewinnen? Doch wenn sich jeder Einzelne einbringt, dann kann etwas daraus werden, im kleinen persönlichen Umfeld und im Grossen, eine Welt für alle.

Und - wenn nicht jetzt, wann wollen wir dann damit beginnen?

Natürlich ist das meine persönliche Einstellung, aber der Blog wird nicht philosophisch, politisch, parteiisch oder gar religiös sein. Momentan brauchen wir alle eher etwas Mut für die kommenden Monate, in denen uns das verdammte Ding nicht loslassen und unser Leben bestimmen wird. Grund genug, meine eigene Geschichte ab der Zeitenwende zu schreiben, die kleinen Überraschungen, die Hochs und Tiefs festzuhalten, Sinniges und Unsinniges zu schreiben, dabei Spaß zu haben und den auch weiterzugeben, das möchte ich mit diesem Blog.

Have fun.

Werner

Und noch etwas: Ich wohne seit mehr als 10 Jahren im schönen Schottland, fühle mich dank der freundlichen Aufnahme mindestens als Halbschotte und schreibe einen Teil der Posts in Englisch. Und nicht immer werde ich eine Übersetzung anbieten können; dafür kann ich deepl empfehlen, schnell, kostenlos und wirklich gut. Und das allein schon im Namen Erinnerungen an meine Forschungsvergangenheit weckt ... denn neuronale Netze waren mein liebstes Forschungsobjekt, lange, sehr lange ist’s her. .

Der Tag 0

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