Donnerstag, 26. März 2020

Ein doppelter U-Turn mit Powerslide

Mein Übergang, meine Zeitenwende: zwei Tage zum Vergessen.

Ein doppelter U-Turn mit Powerslide
Wir hatten schon seit einiger Zeit diskutiert, welche Rolle der Trial bei den zuletzt aufgetretenen Problemen gespielt hat. Es könnte sich alles nur um eine blosse Koinzidenz von Vorfällen handeln, sehr unwahscheinlich zwar, aber denkbar oder der Trial ist der Auslöser dieser Schwierigkeiten. Dazwischen liegen, bei der Komplexität der Situationen, viele Zwischenmöglichkeiten. Die Meinungen darüber waren bei Eleanor und mir zunächst diametral entgegengesetzt. Ich konnte mir keinen Grund denken, der den Trial als 'Alleinschuldigen' überführt hätte. Genauso wenig war aber die 'Unschuld' nachzuweisen. Dieses Patt hatte schon sehr lange, zu lange Bestand und als Anfang der Woche wieder massive Probleme auftauchten, wollte ich es endlich wissen: Würden nach Abschaltung der Pumpe die neuen Probleme verschwinden und würde mein Körper wieder wie vor dem Beginn des Trials 'funktionieren', dann ist der Schuldige eindeutig und ein für allemal gefunden.

Dienstag Morgen: Letztmalig wird die Pumpe abgeschaltet, die Kanüle herausgerissen (in der ganzen Zeit des Trials habe ich diese nur einmal so entfernen können, wie im Manual beschrieben - das erfordert einen zusätzlichen Abschnitt in meinem Abschlussbericht) und dabei eine neue 'Markierung' erzeugt, der letzte dunkelrote Fleck. Das war's also.

Esther und Tiffany mussten natürlich informiert werden, was einem fremdsprachigen Drahtseilakt gleich kam: Eine Formulierung zu finden, die die Endgültigkeit der Entscheidung klar machte, gleichzeitig aber keinen einzelnen Grund dafür nennen konnte. Keine Ahnung, ob's so rüberkam. Mit ABBVie mussten wir ja nicht verhandeln und Esther und Tiffany kennen die Situation genau.

Schön, alles erledigt. Und alles ist wieder gut. Mein Handy war wieder mein 'Zeit_für_die_Medizin' Kontrolleur geworden, meine mobilen Dopaminbehälter sind gefüllt. Rückstellung geglückt, da ich auch mitspielte und gut funktionierte.

Kurz nach Mittag lief ich aber unerwarteterweise ins OFF; eine zusätzliche Pille stellte das Dopamin-Gleichgewicht wieder her. Wie erwartet wurde ich müde, was das Praktizieren der sozialen Isolierung deutlich erleichterte: Isolation durch Schlaf. Danach wollten aber auch andere kleine Wehwehchen mitspielen und beim Lustspiel: 'Wie können wir den Werner ärgern' noch eine Rolle bekommen. Sehr frühzeitiges Zubettgehen verhinderte danach die Uraufführung.

Am Morgen ging's dann aber Schlag auf Schlag: mehrfach schmerzhafte Probleme auf der Toilette, Magenbeschwerden, Rückenprobleme, die höllische Schmerzen verursachen und mir die Beine 'wegziehen', Tremor und Schwindel, immer wieder Schwindel in seiner stärksten Form. Eleanor ist geschockt - das hatte sie nicht erwartet. Ich plädiere für eine weitere Tablette - nachdem ich die Entscheidung zur Beendigung des Trials so lange herausgezögert hatte, bis ich von dessen Nutzen überzeugt war wollte ich jetzt nicht schon jetzt, beim ersten Auftreten von Schwierigkeiten, die Flinte in's Korn schmeissen.

Aber schnell wird klar: einfach wird die Umgewöhnung nicht werden, sicher auch nicht schnell abgeschlossen und die 'neuen' Probleme können halt auch durch die Rückkehr zur oralen Medikation nicht ausgeschlossen werden.

Was bleibt: Sehr, sehr schnell wird ein Fläschchen mit der Medikation aus dem Kühlschrank geholt und auf Raumtemperatur gebracht. Das erlaubt mir eine Dusche, nach der ich mich wieder wie ein Mensch fühle, angezählt zwar aber nicht ko gegangen, reumütig wieder 'Geschirr' und Pumpe tragend.

Ein bisschen zögere ich das Gespräch mit Esther hinaus: auch wenn es triftige Gründe für die Entscheidungen der letzten Tage gab, es fällt nicht leicht einen doppelten U-Turn mit dazwischenliegenden Powerslide zu beichten. Ich hätte mir aber keine Gedanken machen müssen: Esther kennt uns genau, weiss, daß wir lange abgewägt haben und voll hinter den Entscheidungen stehen. Sie selbst ist seit dieser Woche auch in einem Ausnahmezustand und arbeitet im Stroke-Bereich von Ninewells, hatte diese Woche schon 48 Stunden Bereitschaft - am Stück. Das Lab ist geschlossen und ihre Mitarbeiter arbeiten irgendwo. Die nackte, unschöne, brutale Realität nach der Zeitenwende.

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